Avatar:
Alltagshelfer für erkrankte Kinder
Weggefährten e.V.
Dezember 2023
Was fast schon an den Disney-Pixar-Film Wall-E erinnert, ist tatsächlich ein Alltagshelfer für schwer erkrankte Kinder. Dank des Vereins Weggefährten e.V. kann damit ein normaler Schulalltag ermöglicht werden.
Schwer erkrankte Kinder und Jugendliche können oft nicht regelmäßig die Schule besuchen. Vor allem der soziale Aspekt kann darunter leiden. Um trotzdem aktiv am Unterricht teilnehmen zu können, sitzt der etwa 30 cm hohe Roboter an Stelle eines Kindes im Klassenzimmer. Er blinkt bei einer Wortmeldung und kommuniziert mit Emojis. Damit zeigt er zum Beispiel an, dass das Kind ein Thema verstanden hat. Der Avatar ermöglicht aktuell einem krebskranken Jungen die weitere Teilnahme am Unterricht im Klassenverbund.
Dieses Projekt haben wir mit 5.000 Euro gefördert.
Susanne Bertram, die Direktorin der Grundschule Isoldestraße in Braunschweig, berichtet über die Wirkung des Avatars auf die Klassengemeinschaft – mit einem glücklichen Abschluss für alle Beteiligten.
Ein Avatar für die Klasse 4b
Als im November 2023 von einem Tag auf den anderen ein Kind aus meiner Klasse, der 4b, einfach nicht wieder kam, änderte sich auf einmal alles. Wir hatten von einem Termin beim Augenarzt gewusst – und dann hörten wir tagelang weder von ihm, noch von seiner Familie. Erst nach einigen Tagen der Ungewissheit erfuhren wir den Grund für diese absolute Unerreichbarkeit der Familie: Ein Gehirntumor. Bei einem Kind aus unserer Klasse. Sofort operiert, aber mit ungewissen Aussichten, was die Genesung betraf. Furchtbar. Die Familie ging sehr offen mit der Erkrankung um, sodass es möglich war, die Fragen der Mitschülerinnen und Mitschüler des Kindes von Anfang an
wahrheitsgemäß zu beantworten. Das war aber auch nicht so einfach. Denn wie macht man Kindern im Grundschulalter klar, dass ein Kind, mit dem sie noch vor einigen Tagen fröhlich gespielt und getobt hatten, lange Zeit nicht mehr wiederkommen würde? Vielleicht auch nie wieder? Bange Fragen waren monatelang unser Begleiter, und da es gesundheitlich viele Aufs und Abs gab, war die gesamte Klasse sehr angespannt.
Viel besser wurde es, als im März 2024 ein kleiner Roboterkumpel in die Klasse einzog: ein Avatar
AV-1.
Nachdem es zunächst ein bisschen schwierig war, alle Einverständniserklärungen von allen Eltern der Klasse zurückzubekommen (nicht, weil sie etwa dagegen gewesen wären, sondern aus vielen anderen Gründen), konnten wir mit seiner Hilfe – vor allem natürlich die Kinder – wieder Kontakt zu dem lange vermissten Freund aufnehmen. Schnell wurde deutlich, dass der Kontakt nicht nur für das erkrankte Kind sehr, sehr wichtig war – was der eigentliche Grund dafür war, dass AV-1 in die Klasse kam. Nein, auch für die anderen Kinder war es eine große Beruhigung, das Kind nun an den meisten Tagen wenigstens ein Mal kurz zu hören.
Wir hatten zwei Paten in der Klasse benannt, die dafür verantwortlich waren, AV-1 jeden Morgen aus dem Sekretariat, wo er nachts an die Steckdose angeschlossen war, abzuholen und in der Klasse aus seinem Rucksack auszupacken, hinzusetzen und einzuschalten. Auch zum Fachunterricht nahmen ihn die Paten mit und in den großen Pausen brachten sie ihn in den Besprechungsraum, damit sie und auch Freunde aus der Parallelklasse in Ruhe mit dem kleinen Patienten klönen konnten. Das war auch die Hauptaufgabe des AV-1 bei uns, denn durch die versäumten Inhalte und die andauernde Behandlung und die damit einhergehende Schwäche des Kindes, war die Teilnahme am Unterricht kaum möglich. Bei uns hat AV-1 fast ausschließlich die soziale Integration des kranken Kindes sichergestellt.
Dass die Paten es nie vergessen haben, den Avatar abzuholen oder mitzunehmen und ihn nach Unterrichtsschluss auch immer ganz gewissenhaft wieder ausgeschaltet und in seinem Rucksack verpackt ins Sekretariat zurückgetragen haben, zeigt, wie wichtig das Miteinander für beide Seiten war. Deshalb bin ich froh und dankbar, dass es die Möglichkeit des Einsatzes eines solchen Avatars für langfristig erkrankte Kinder gibt – für das Kind selbst ermöglicht er die Teilnahme am Leben, für die anderen Kinder ist es eine gute Möglichkeit der Begleitung und somit des Verstehens, was vor sich geht.
Wenn ich mir noch etwas (von der Politik) wünschen dürfte, dann, dass die Hürde des Datenschutzes und der Einverständniserklärungen in diesem Fall ausgesetzt werden könnte. Das hat bei uns doch zu einer erheblichen Verzögerung des Einsatzes geführt, was mir sehr leidgetan hat. Inzwischen geht es unserm Kind zum Glück wieder viel besser. Bald wird es wieder leibhaftig am Unterricht teilnehmen können. Darüber freuen wir uns sehr und geben dann dankbar den kleinen AV-1 zurück an die WegGefährten, damit er einem anderen Kind den Weg zur (hoffentlich baldigen) Genesung erleichtern kann.